Beim Nähen von Kleidungsstücken können verschiedene Arten von Falten auftreten. So ist es auch im Ärmelbereich.
Man unterscheidet zwischen Bewegungsfalten und passformbedingten Falten. Bewegungsfalten entstehen durch die natürliche Bewegung des Arms und sind gewünscht, da sie den Tragekomfort erhöhen. Beim Ärmel entstehen typische Bewegungsfalten beispielsweise in der Armbeuge.
Passformbedingte Falten hingegen sind unerwünscht, da sie das Erscheinungsbild der Kleidung beeinträchtigen und den Tragekomfort mindern können. Sie entstehen weil ein Konfektionsschnitt eben nicht jedem Individuum gerecht werden kann.
Die Passform eines Ärmels hängt stark von der individuellen Körperform und -haltung ab. Ob du breite oder schmale Schultern hast, eine aufrechte oder leicht vorgebeugte Haltung hast, sind Faktoren die dazu führen, dass sich der Stoff unterschiedlich um den Körper legt und verschiedene Faltenarten entstehen können.
Schließlich spielt auch die Stoffwahl eine Rolle: feste Stoffe wie Baumwolle betonen Falten stärker als beispielsweise weiche Wollstoffe.
Passformkontrolle – darum ist sie so wichtig
Allein vom Schnittmuster ist es leider nicht erkennbar, ob der Ärmel gut sitzen und einen schönen, geraden Fall haben wird oder nicht.
Egal ob Kleid, Bluse oder Jacke: erst am genähten Kleidungsstück kann festgestellt werden, ob der Ärmel faltenfrei sitzt.
Manche Passformprobleme können jedoch am fertigen Kleidungsstück nicht mehr behoben werden. Das gilt vor allem dann, wenn Länge oder Weite fehlt.
In diesen Fällen bietet eine Passformoptimierung am Schnittmuster die Lösung. Das heißt dann aber auch, dass das geänderte Schnittteil neu zugeschnitten werden muss.
Wenn du also nicht in weiser Voraussicht ein oder zwei Meter Stoff mehr gekauft hast als eigentlich nötig oder nicht riskieren möchtest unnötig hochwertige, teure Stoffe zu verschneiden, solltest du immer erst mal ein Probeteil aus einem günstigen Stoff nähen.
Am Probeteil kannst du dann feststellen, ob dein Ärmel richtig fällt oder sich passformbedingte Falten zeigen, die behoben werden müssen.
Die Probejacke
Bevor ich meine neue Jacke aus einem schönen Wollstoff genäht habe, habe ich erst mal eine Probejacke aus einem günstigen Baumwollstoff genäht.
Bei der Anprobe habe ich dann festgestellt, dass der Ärmel zwei unschöne Längsfalten zeigt. So sollte der Ärmel eigentlich nicht aussehen.
Bloß gut, dass ich mir die Zeit für eine Probejacke genommen habe! Denn der rosa Karostoff, der schon lange im Stoffregal liegt und jetzt endlich zum Einsatz kommen soll, reicht nur gerade so für die neue Jacke. Da darf ich mir keine Patzer erlauben, einzelne Schnittteile neu zuschneiden ist nicht drin.
Hätte ich die Jacke direkt aus dem Wollstoff genäht und dann festgestellt, dass der Ärmel diese Falten zeigt, hätte ich keine Chance mehr gehabt, die Jacke zu retten...
Ursachen für senkrechte Falten am Ärmel
Passformbedingte Falten identifizieren ist der erste Schritt. Doch wo kommen die senkrechten Falten am Ärmel her und wie kann man sie entfernen?
Als erstes solltest du die Breite der Schulternaht kontrollieren.
Eine zu kurze Schulternaht kann dazu führen, dass der Ärmel nach oben gezogen wird und Spannungsfalten entstehen.
In diesem Fall solltest du den Ärmel an deinem Probeteil raus trennen und die Schulternaht verlängern, indem du einfach etwas Stoff annähst. Anschließend nähst du den Ärmel wieder ein und schaust, ob die Falten am Ärmel weg sind.
Wie du diese Anpassung am Schnittmuster vornimmst, kannst du dir HIER im YouTube-Video anschauen.
Bei meiner Probejacke war die Schulterbreite korrekt (das hatte ich bereits kontrolliert und angepasst, bevor ich den Ärmel eingenäht hatte). Trotzdem waren da ja die senkrechten Zugfalten am Ärmel.
Wenn es nicht an der Schulternaht liegt, muss es an der Ärmelkugel liegen.
Ist die Ärmelkugel zu flach bzw. zu kurz, wird der Ärmel ebenfalls nach oben gezogen.
Ob das wirklich der Grund für die senkrechten Falten ist und wie viel zu kurz die Ärmelkugel ist, kannst du mit einem kleinen Trick ganz einfach feststellen: Trenne die Naht am Ärmel nur im oberen Bereich auf (ca. 10 – 15 cm vom Schulterpunkt aus in jede Richtung). Ist der Ärmel im oberen Bereich nicht mehr festgenäht, fällt er etwas runter, kann sich entspannen und die Zugfalten verschwinden.
Miss die Lücke aus, die sich zwischen dem Schulterpunkt der Ärmelkugel und der Schulternaht des Vorder- und Rückenteils ergibt. So weißt du, um welchen Betrag deine Ärmelkugel erhöht werden muss.
Ärmelkugel am Schnittmuster erhöhen
Den Ärmelschnitt so anzupassen, dass die senkrechten Falten verschwinden, ist gar nicht so schwer. Folge einfach dieser Schritt-für-Schritt-Anleitung:
1. Zeichne eine Senkrechte vom Schulterpunkt zum Saum und verlängere sie nach oben um die notwendige Kugelerhöhung.
2. Miss erst die ursprüngliche Ärmelkugel und dann die neue Ärmelkugel zwischen dem vorderen Ärmeleinsatzzeichen (v.Äe) und dem Schulterpunkt (S) sowie zwischen dem hinteren Ärmeleinsatzzeichen (h.Äe) und dem Schulterpunkt (S) aus.
Durch die Kugelerhöhung ist die Strecke länger geworden, was bedeutet, dass dein Ärmel jetzt mehr Einhalteweite hat. Wenn die Differenz nicht sehr groß ist und du den Ärmel auch mit mehr Einhalteweite noch faltenfrei einnähen kannst, kann der Ärmel so bleiben.
3. Ist die Differenz etwas größer oder lässt dein Stoff nicht mehr Einhalteweite zu, solltest du die Ärmelkugel verschmälern um die Einhalteweite wieder zu reduzieren.
Trage hierfür die Differenz des vorderen Kugelbereichs von S Richtung v.Äe und die Differenz des hinteren Kugelbereichs von S Richtung h.Äe ab.
4. Verbinde die Punkte mit der Saumlinie.
5. Schneide den Ärmelschnitt von oben Richtung Saum ein und schiebe das Papier an der Ärmelkugel übereinander. Gleiche den Übergang an der Kugel etwas aus, damit die Kugel nicht zu spitz ist.
6. Begradige die Saumlinie. Zeichne den Fadenlauf im rechten Winkel zur neuen Saumlinie ein.
Jetzt hat dein Ärmel eine höhere Kugel aber (ungefähr) so viel Einhalteweite wie zuvor.
➡️ Diese Anleitung kannst du dir HIER auch als YouTube-Video anschauen.
Der Nachteil ist jedoch, dass dadurch auch die Oberarmweite kleiner geworden ist. Hier solltest du unbedingt kontrollieren, ob dein Ärmel im Oberarmbereich noch bequem sitzt oder dich jetzt einengt.
Falls nötig, kannst du den Oberarmbereich wieder etwas erweitern. ➡️ HIER findest du eine Anleitung dazu.
Am Ende gilt es für den perfekten Ärmel die richtige Balance zwischen Kugelhöhe, Einhalteweite und Oberarmweite zu finden.
Die fertige Jacke
Nach der Kugelerhöhung sitzt der Ärmel an meiner Probejacke schön glatt. Jetzt kann ich ganz entspannt meine neue Jacke nähen und weiß, dass sie am Ende perfekt passen wird.
Es gibt doch nichts Schlimmeres als stunden- und tagelang an einem neuen Kleidungsstück zu nähen um am Ende fest zu stellen, dass es nicht richtig passt und nicht genügend Stoff übrig ist um die betreffenden Teile neu zuzuschneiden!
Und damit ich nicht bei jeder neuen Jacke, die ich mir nähen möchte wieder mit einem Probeteil ganz von vorne anfange, verwende ich das Schnittmuster „Basic Jacke“, das ich einmalig für mich angepasst habe und mache daraus neue Modelle. So weiß ich immer, dass die Jacke am Ende passen und toll aussehen wird.
Wenn du auch Lust hast, einen Jackenschnitt an deine Körpermaße und -form anzupassen und Jacken zu nähen, die perfekt zu dir passen, dann hol dir jetzt das Schnittmuster „taillierte Basic Jacke mit Abnähern“ und starte mit deinem neuen Projekt.
➡️ HIER geht’s zu den Schnittmustern.
Hallo Astrid, im Buch “Vom Basic Dress zu deinem Wunschmodell” findest du Anleitungen zur Anpassung des Vorder- und Rückenteils. Du erfährst, wie du das Schnittmuster exakt an deine Körpermaße anpasst, was vor allem bei figurnahen Modellen wichtig ist.
Die Anleitungen sind nicht nur auf Kleider-, sondern auch auf Jacken- und Oberteilschnitte anwendbar.
Anleitungen zur Ärmelanpassung sind im Buch nicht enthalten. Dazu findest du aber verschiedene Videos auf meinem YouTube-Kanal.
Sehr gut erklärt. Vielen Dank dafür. Ich habe immer das Problem mit der oberen Passform, da meine Größe zwischen 42 und 44 liegt. Hast du das in deinem Buch auch so beschrieben? Viele Grüße, Astrid
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